Chronik

Die offizielle Chronik ab Gründung bis 2014 finden Sie weiter unten

Chor- und Orchesterverein Miesbach e. V. 1845 – 2014

Ein genaues Gründungsdatum für den Verein kann nach den vorhandenen derzeitigen Unterlagen nicht ermittelt werden, aber es liegt noch etliches ungesichtetes Material in den Archiven.

In Miesbach lassen sich die ersten Nachweise über ein organisiertes Musikleben um 1800 finden. Der damalige Landrichter Max Graf von Preysing will die Spielleute des Marktes zusammenfassen und ihren Ausbildungsstand heben. Damals denkt man bereits daran, die Lehrer mit einzubeziehen.

1831 kommt es zur Gründung des „Musikkollegiums” (Musikgesellschaft) durch Beamte und Bürger, um „der damals auf niederer Stufe stehenden Blechmusik durch Unterstützung aufzuhelfen und neben geselliger Unterhaltung Musik und Gesang zu pflegen.” Die aktiven Mitglieder sind gleichzeitig im Kirchenchor tätig. Schon damals ist eine enge Verbindung von Chorgesang und instrumentaler Musik festzustellen — wie auch heute.

Im 19. Jahrhundert entstehen viele Vereine, die sich den aufkommenden Ideen des Nationalismus, des Liberalismus und der Demokratie verschrieben haben. Deutschland ist damals in eine Vielzahl von Staaten aufgeteilt. Nach den Napoleonischen Kriegen kommt ein gesamtdeutsches Gemeinschaftsgefühl auf, das sich in vielen Bereichen äußert, z.B. in Bauwerken wie der „Befreiungshalle” bei Kelheim. Im geistigen Bereich setzen Prozesse ein, die das Kleinstaatereien — (Un)wesen ablehnen und einen einheitlichen deutschen Staat fordern. Vor diesem Hintergrund müssen viele Vereinsgründungen gesehen werden, die nach der Reichsgründung 1871 nochmals einen neuen Schub erhalten.

So werden allerorten Turnvereine nach der Idee des Vorkämpfers für „altdeutsches” Wesen und Turnvaters Friedrich Ludwig Jahn (1778 — 1852) Burschenschaften und Studentenverbindungen, Nationalgesellschaften für Lied, Musik und Tracht, „Liedertafeln”, „Liederkränze”, Veteranen und Militärvereine oder Vereine bzw. „Gesellschaften” — wie es vor der Reichsgründung meist heißt — mit volkskundlichem und nationalem Hintergrund gegründet.

Der Direktor der Singakademie Berlin, Carl Friedrich Zelter (1758 — 1832), gründet auf dem Gebiet des Gesangs 1809 die erste „Liedertafel” in Berlin, Vorbild für die folgenden Gesangvereine.

Von diesem Zeitgeist werden auch die Miesbacher erfasst, und sie heben ihre „Liedertafel” aus der Taufe. Vermutlich passiert das um 1840. Allerdings gibt es dafür bis jetzt kein ermittelbares Gründungsdatum. Erst der Zusammenschluss der vier „Liedertafeln” aus Holzkirchen, Miesbach, Tegernsee und Tölz 1845 gibt die erste gesicherte Nachricht und gilt als Gründungsjahr. Um aber im Chor gemeinsam singen zu können, muss man schon einige Monate proben. So dürfte also der Miesbacher Zusammenschluss vor 1845 gewesen sein, da wiederum vom ersten gemeinsamen Fest bereits im Mai 1845 berichtet wird und dafür sowohl Proben als auch Zusammenkünfte bezüglich der Organisation notwendig sind.

Am 2. Juli 1845 trägt die königliche Regierung von Oberbayern dem Landgericht Miesbach auf, die Mitglieder der Sängervereine in Holzkirchen, Miesbach, Tegernsee und Tölz nach Namen und Funktion anzuzeigen. Für Miesbach werden damals 15 Mitglieder angemeldet, acht davon sind „Schullehrer”. Bei den Mitgliedern handelt es sich durchwegs um Angehörige des gebildeten Mittelstandes bzw. um Honoratioren wie Gutsbesitzer, Handwerksmeister oder musikalisch gebildete Leute aus der Marktkapelle (heute Stadtkapelle). Man kann hier vom „Bildungsbürgertum” sprechen, das sicherlich nicht nur wegen des Singens, sondern auch aus politisch motivierten Gründen in der „Liedertafel Miesbach” zusammenkommt.

Allerdings werden Vereine damals streng von der Regierung überwacht, da man umstürzlerische Umtriebe befürchtet. Die Polizei ist angewiesen, alles genau zu beobachten und zu erfassen wie z.B. Namen und Anschriften der Mitglieder, Berufe, Vereinslokal, Zusammenkünfte usw. Im bayerischen Vereinsrecht vom 26. Februar 1850 wird genau nach „politischen” und „nicht politischen Vereinen” unterschieden. „Politische” Vereine werden noch schärfer überwacht. Das Revolutionsjahr 1848 warf bei der Miesbacher Gründung seine Schatten voraus und hat nachher entsprechende gesetzliche Auswirkungen.

Dirigent der Miesbacher Liedertafel und gleichzeitig Vorstand der in einer Dachorganisation zusammengeschlossenen vier Liedertafeln ist der Miesbacher Hilfslehrer Stephan Göttfried. Als Dirigent aller vier Liedertafeln ist der Holzkirchener Schullehrer Stettmayer tätig.

Die vier Liedertafeln nennen sich „Sängerverein vom bayerischen Oberland”. Nach heutiger Auffassung würde man das als „Sängerkreis” oder „Bezirkskreis” bezeichnen. Die Regierung von Oberbayern genehmigt am 27. Juli 1845 die „Constituirung aus den Liedertafeln von Holzkirchen, Miesbach, Tegernsee und Tölz” zur Dachorganisation nur unter Bedingungen. So wird u.a. verlangt: „1. Jede Erläuterung, Ergänzung oder Abänderung der Satzungen ist zur nachträglichen Genehmigung vorzulegen. 2. Das Verzeichnis der Gesellschaftsmitglieder ist jährlich unter Benennung der Dirigenten der Ortsobrigkeit zur Anzeige zu bringen…” Auch wird verlangt, daß jegliche Korrespondenz mit einem anderen Gesangverein nur entsprechend der Satzung und „unter Angabe der diesem zu machenden Zugeständnisse auszuweisen ist.” Solche Auflagen sind damals allgemein üblich.

Bereits am 20. Mai 1845 haben die vier „Liedertafeln” zu einem „Gesangs-Fest der Sänger vom bayerischen Oberlande” nach Tölz eingeladen. Das Festheft mit 17 Seiten ist noch im Original in Tölz vorhanden und weist alle Texte, die gesungen werden, aus. Zum 3. Gesangsfest wird für den 30. Juni 1845 nach Miesbach geladen. Vermutlich finden in diesem Jahr an allen vier Orten gemeinsame Konzerte statt.

Für die folgenden Jahre gibt es keine Belege. Um 1870 scheint es um die „Liedertafel Miesbach” recht ruhig geworden zu sein bzw. man stellt die Aktivitäten für einige Zeit ein, und so gründet man die „Liedertafel” 1874 neu, ohne gleichzeitig den direkten Bezug zu vorher herzustellen. Damals ist das auch bei anderen Vereinen üblich, denn Protokollführung oder feste Organisationsformen wie heute sind noch nicht recht entwickelt. Man denkt überhaupt nicht an Gründungsdaten oder Tradition. Als man 1924 eine Standartenweihe abhält, wird zugleich das 50. Gründungsfest gefeiert.

Erst später — im 20. Jahrhundert — knüpft man wieder an die Zeit von 1845 an und setzt das Gründungsdatum entsprechend fest.

Im Jahr 1876 führt die Liedertafel Miesbach die historisch-romantische Oper in drei Akten „Der Schopfgrabensteg bei Miesbach” auf. Die Musik stammt von einem gewissen J. Otto, Verfasser der Texte ist Freiherr von Gumppenberg. (Ein Freiherr von Gumppenberg-Pöttmes kauft 1830 Gut Wallenburg, stirbt aber bereits 1847 im 52. Lebensjahr.) Das Textheft dazu wird in „Georg Mayr’s Buchdruckerei, Miesbach” hergestellt und ist im Original noch vorhanden. Als Personen agieren Ritter Kunibert von Schweinthal, seine Tochter Amalgunde, der Leibpage Edeward, der Raubritter Sassafraß von Hohenwaldeck sowie Knappen, unsichtbare Liebesgötter, Raubritter und Wilderer. Arien, Duette, Terzette und Chöre wechseln mit Texten der Spieler.

Am 18. November 1904 wird von einer Vorstandschaft mit Hutmachermeister Josef Gratzer — damals ein äußerst rühriger Miesbacher Geschäftsmann und sehr aktiv in vielen Vereinen —, Eisenbahnadjunkt G. Trauter und einem Kassier und Tafelmeister — namentlich nicht genannt — in den Vereinsakten berichtet.

Mehrfach wird von Konzerten der Liedertafel berichtet, so am 12. Dezember 1908 unter dem Dirigenten Lehrer Karl Bäurle, bei dem u. a. das Lied „Ave Maria” von L. Cherubini von Frau C. Wiesinger gesungen wird.

Am 10. Juni 1911 bringt die Liedertafel ein Konzert im Saal des Gasthofes „Wendelstein” (am Oberen Stadtplatz) unter der Chorleitung von Lehrer Alois Schwarz zur Aufführung. Lehrer Karl Bäurle begleitet am Klavier. Orchester, gemischter und Männerchor wechseln im Programm ab.

Am Samstag/Sonntag, 24. und 25. Mai 1924, begeht die Liedertafel Miesbach ihr 50. Gründungsfest, verbunden mit einer Standartenweihe. „Frei wie der Aar, frisch wie der Quell’ — tön’ unser Lied, mächtig und hell” steht als Motto über dem Jubiläum. An die 1300 Personen melden sich an, darunter 70 Mitglieder des Salzburger Mozarteums. Miesbach erlebt ein Sängerfest großen Ausmaßes „mit drei Dutzend Vereinen, darunter die Tiroler Sangesbrüder aus Innsbruck” — wie der Miesbacher Anzeiger in großer Aufmachung berichtet.

Am Samstagabend führt die Stadtkapelle Miesbach unter Leitung von W. Renner mit 25 Mann eine Serenade am Unteren Stadtplatz auf. Höhepunkt des Festes ist ein großer Festabend im Waitzinger-Kellersaal. Unter Leitung des Chormeisters Konrad Pirngruber und des Orchesterleiters Regierungsrat Bedall führt die Liedertafel Miesbach gemeinsam mit dem Orchester im ersten Teil das große Chor- und Orchesterwerk Schillers „Lied von der Glocke” von A. Romberg auf. Nach der Pause werden u.a. Stücke aus der Oper „Carmen” und dem Ballet „Copelia” dargeboten.

Das Konzert ist durch die vielen angemeldeten auswärtigen Vereine bereits lange vorher ausverkauft. Deshalb wird es für die Miesbacher Bevölkerung eine Woche vorher extra aufgeführt.

Am Sonntag wird um 6 Uhr morgens der Weckruf durchgeführt. Die Feldmesse findet auf dem Unteren Stadtplatz um 10 Uhr statt. Dabei wird die Standarte geweiht, die von Kunstmaler Richard Schaupp — einem damals bekannten Miesbacher Maler — entworfen worden ist und in der Münchener Kunststickerei Auer angefertigt worden ist. „Sie stellt ein selten schönes Werk dar” heißt es im „Miesbacher Anzeiger”. In der Mittagspause bietet die Stadtkapelle eine „Standmusik” am Oberen Stadtplatz, u.a. den Marsch „Unter Waffengefährten”, die Ouvertüre zur Oper „Dichter und Bauer” und einen „Heroischen Marsch”.

Nachmittags schließt sich ein Wettsingen im Waitzinger-Kellersaal an, und am Abend klingt das Jubiläum mit einem Festball aus. Die Tanz-Ordnung ist dabei festgelegt und im Programm ausgedruckt: 1. Polonaise mit Walzer, 2. Walzer, 3. Francaise, 4. Rheinländer, 5. Walzer, 6. Francaise usw. (insgesamt 12 Stücke).

Die Miesbacher verstehen es damals wie heute, ihre Feste gebührend zu feiern. Und die Bevölkerung feiert gerne mit ihren Vereinen.

Am 1. November 1927 wird die „Liedertafel Miesbach” in den „Bayerischen Sängerbund” aufgenommen. Die Aufnahme-Urkunde enthält den Sängerspruch „Schneidige Wehr, blanke Ehr’, Lied zum Geleit gib Gott allzeit!”

Am 14. Mai 1928 bringt man das Singspiel „Madam Bäuerin” und ein Jahr später „Die Winzer Liesl” zur Aufführung.

1928 beteiligt sich eine stattliche Abordnung — durchwegs Männer, alle in der Miesbacher Tracht — am 10. Deutschen Sängerbundfest in Wien. Der 18-jährige Karl Antretter trägt das Taferl. Die Miesbacher sind im Festzug innerhalb des „Bayer. Sängerbundes — Mangfall-Gau” gleich nach der Liedertafel Bad Aibling eingereiht und führen voller Stolz ihre Standarte mit.

Im November 1929 führt die „Liedertafel Miesbach” die Operette „Winzerliesl” auf. Der Miesbacher Anzeiger schreibt am 18. November 1929: „Tritt die Liedertafel Miesbach an die Öffentlichkeit, so ist man schon eine Aufführung in großem Format, mit ganz besonderen Ansprüchen, mit auserlesenem Genuße gewöhnt. Anders macht es die Liedertafel nicht mehr. Sie vereinigt in sich auch eine Schar vortrefflicher Musiker, das Orchester der Liedertafel, und verbindet somit organisch Gesang und Musik zu einem vollendeten Ganzen…”

1934 werden die Miesbacher Sängervereine „gleichgeschaltet” — wie es die braunen Machthaber ganz allgemein mit den Vereinen und Organisationen wegen der besseren Überwachung durch Partei und Staat machen.

In Miesbach bestehen zu dieser Zeit mehrere Organisationen, die sich der Musikpflege widmen: das 1831 gegründete „Musikcollegium” — die Marktblaskapelle, der 1920 gegründete Männergesangsverein „Bavaria” — der 2. Miesbacher Gesangsverein, die „Sängerrunde Miesbach” mit 8 Sängern und die 1845 / 1874 gegründete „Liedertafel Miesbach” mit ihrem gemischten Chor.

Im Vereinsprotokoll hält der Schriftführer am 26. Juni 1934 eine sehr wichtige Entscheidung fest: „Der Männergesangsverein Bavaria, die Liedertafel Miesbach, die Sängerrunde Miesbach und das Musikkollegium haben heute ihre Auflösung vollzogen. Die Versammlung gründet den Chor- und Orchesterverein Miesbach, dem sämtliche anwesenden Mitglieder der vorgenannten Vereine beitreten.”

Grund für die Namensnennung „Chor- und Orchesterverein” ist, daß neben den Sängerinnen und Sängern auch Musiker dabei sind, die nun intern ein kleines Orchester bilden.

1934 zählt der neue Verein 93 aktive Sänger, 24 aktive Sängerinnen und 48 passive Mitglieder, somit 165 Mitglieder.

Für die Beteiligten ist dieser von der NS-Partei geforderte Zusammenschluss aller Gesang- und Musikvereine ein schmerzlicher Eingriff in die bisherige Eigenständigkeit, und in der ziemlich laut verlaufenen Mitgliederversammlung sind zunächst nicht alle mit der Zwangsvereinigung einverstanden. Der erste Vorsitzende und die beiden Dirigenten treten zurück.

Die neue Vorstandschaft — heißt jetzt „Führerschaft” — wird nicht gewählt, sondern von den NS-Machthabern bestimmt. Neuer Vorstand („1. Führer”) wird Josef Gratzer, 2. Vorstand („2. Führer”) bleibt Josef Stanzer, Kassenwart Hermann Kirzinger und Liederwart Kajetan Egger. Ferner werden die Posten eines Schriftwarts und Beisitzers bestellt. Chorleiter für Männer wird Josef Haunstetter, Chorleiter für gemischten Chor Josef Habersack und Leiter für das Instrumentarium Wolfgang Hatzl.

Mit Hauptlehrer Josef Schwarz, später Schulrat, übernimmt 1934 ein Dirigent die Leitung des Chors, der 35 Jahre lang — bis 1969 — das musikalische Wirken des Vereins entscheidend gestaltet und prägt.

Der Verein nimmt in der Folgezeit regen Anteil am Geschehen in der Stadt. Z. B. bedankt sich der NS-Ortsgruppenleiter für die Mitwirkung des Vereins „bei der Deutschen Weihnachtsfeier am 21. Dezember 1935.” Der Verein veranstaltet am Samstagabend, 16. Mai 1936, im Waitzinger-Kellersaal ein Frühjahrskonzert, an dem sich der Männerchor, der gemischte Chor und das Orchester beteiligen, nachdem bereits 1935 dieses „Frühjahrskonzert” von der Bevölkerung gut angenommen wird.

Die Aktivitäten sind recht beträchtlich, was sich auch in den Mitgliederzahlen zeigt. 1936 zählt man 62 Sänger, 19 Sängerinnen und 78 passive Mitglieder.

Vom 27.-29. Juli 1936 nimmt der Verein am „Gausängerfest Passau 1936″, verbunden mit dem 75-jährigen Jubiläum des Bayerischen Sängerbundes, mit 57 Sängerinnen und Sängern teil.

In den Jahren des II. Weltkrieges erlahmt jedoch die Vereinstätigkeit weitgehend. Der Chor- und Orchesterverein veranstaltet zwar einige Konzerte, z. B. zu Gunsten des Kriegs-Winterhilfswerkes am 30. März 1940 im Waitzinger-Kellersaal oder am 20. November 1943 für den gleichen Zweck, aber der unselige Krieg fordert auch unter den Mitgliedern seine Tribute.

Nur allmählich regt sich nach dem Krieg wieder das Vereinsleben. Die alliierte Militärmacht ist auch für die Vereine zuständig. So schreibt der Chor- und Orchesterverein folgendes Gesuch am 16. Oktober 1945 in Deutsch und Englisch: „ …Der Chor- u. Orch.Verein bittet die All. Mil.Regg. Miesbach um die Erlaubnis, seinem Mitglied Wildgruber anläßlich deren Hochzeit ein Gesangsständchen darbringen zu dürfen. Teilnehmer: ca. 15 Mann. Die Veranstaltung ist nicht politisch und dauert nur 15 Minuten…” Das Gesuch wird genehmigt.

Einige Jahre nach dem Krieg greift Schulrat Schwarz die Tradition der Singspiele wieder auf, und die Bevölkerung — ausgehungert durch die Kriegsjahre — strömt in hellen Scharen zu den Aufführungen in den Waitzinger-Kellersaal. Es folgt eine regelrechte Blütezeit für den Verein und seine erfolgreichen Aufführungen.

Am 28. Mai 1949 wird das Stück „Die Glocke” von Romberg aufgeführt. Bereits am 22. Oktober 1949 wird „Der Holledauer Fidel” von Kutschenreuther mit über 100 Mitwirkenden auf die Bühne gebracht, und in zwei weiteren Terminen am 26. Oktober und 5. November vor jeweils ausverkauftem Haus gespielt.

Am 24. November 1951 findet die „Winzer Liesl” ihre Wiederaufführung und wird dreimal vor vollem Saal wiederholt.

1952 folgt das Singspiel „Es war einmal”, 1953 „Der Goldfisch vom Königssee” und 1958 wieder „Der Holledauer Fidel”.

Wenn man bedenkt, daß zur damaligen Zeit die Miesbacher Vereine insgesamt viele öffentliche Veranstaltungen anbieten wie Theater, Konzerte oder Heimatabende — und jedesmal die Besucher die Säle füllen — dann kann man das große Interesse der Bevölkerung am kulturellen Leben ermessen.

Allerdings bringt das Aufkommen des Fernsehers um und nach 1960 rasche Einbußen an Besucherzahlen.

Auch das Vereinsleben erlahmt um diese Zeit. 1964 sind es noch 25 aktive Mitglieder. Es wird ruhiger mit den Singspielen. Der Verein hat aber immer kleinere eigene Veranstaltungen, hält Proben oder bringt zusammen mit der Stadtkapelle Konzerte für wohltätige Zwecke, singt zu verschiedenen kirchlichen und weltlichen Feierlichkeiten wie Volkstrauertag, Weihnachten am Friedhof oder Einweihungen, beteiligt sich an Kreissingen, bringt zu Geburtstagen Ständchen oder trägt Sangesschwestern oder -brüder mit einem Abschiedslied zu Grab.

Am 29. Mai 1960 wird dem „Chor- und Orchesterverein Miesbach (Oberbayern)” die seltene Zelter-Plakette verliehen. Bundespräsident Heinrich Lübke unterschreibt diese besondere Ehrung „als Auszeichnung für die in langjährigem Wirken erworbenen Verdienste um die Pflege der Chormusik und des deutschen Volksliedes”.

Am 10. Mai 1967 wird der Einakter „Die Daxerin” und am 13. Dezember 1967 „Waldfrieden” — beide von Ludwig Thoma — aufgeführt.

Das Jahr 1968 bringt einen Höhepunkt im Vereinsleben. Anläßlich des 50-jährigen Stadtjubiläums wird ein Singspiel aufgeführt, das alle Kräfte mobilisiert. Miesbach ist 1918 als letzter Ort vor dem Auflösen der Monarchie vom König mit diesem Titel versehen worden. Bürgermeister Rudolf Pikola (Bürgermeister von 1960— 1970), der sich schriftstellerisch sehr stark betätigt, schreibt das Singspiel in fünf Aufzügen „Die Wallenburger Verlobung”. Die Musik stammt von Franz Biebl.

Das Stück handelt von Johann Baptist Zimmermann aus der berühmten Wessobrunner Stukkatorenschule, der im Dienst der Grafen von Maxlrain die schöne Kammerzofe der Gräfin Elisabeth Ostermayr lieben lernt, sie 1705 heiratet und von 1706 — 1715 in Miesbach Wallenburg ansässig ist. Hier werden auch ihre fünf Kinder getauft. Die Handlung ist weitgehend frei erfunden.

Bereits am 16. Dezember 1962 schreibt Pikola an den Chor- und Orchesterverein: „Möge es zu einem ständigen Festspiel der Stadt werden.”

Die Uraufführung am 8. Juni 1968 wird ein großer Erfolg, und es folgen weitere gelungene Aufführungen, an die man sich heute noch gerne erinnert.

Auf diesen Höhepunkt folgen Rückschläge. Häufige Dirigentenwechsel und Zeiten ohne Dirigenten lassen die Frage aufkommen, wie es weitergehen wird.

1974 soll der Verein in einer außerordentlichen Hauptversammlung aufgelöst werden. Mit den Worten „Nur über meine Leiche” rettet Sieglinde Manzer den Verein aus seiner wohl schwersten Krise, indem sie den Vorsitz übernimmt und bis 1980 behält.

1978 kommt es zu einer Aufwärtsentwicklung. Der neue Dirigent Rudolf Sommer bringt Ruhe und Beständigkeit, unterstützt durch die gute Leitung des Vereins durch den 1. Vorsitzenden Franz Fladischer (1982 — 1985). Alljährlich finden in der Folgezeit Konzerte im Altersheim Miesbach, im Krankenhaus und auf dem Friedhof statt. Mit dem Gmunder Männergesangsverein „Melodie” veranstaltet man an Pfingsten 1985 ein gemeinsames Konzert, und zu Weihnachten glänzt man ebenfalls mit schönen Aufführungen.

Ebenfalls 1978 entsteht der Kinderchor des Chor- und Orchestervereins. Nachdem Eckhard Noske zu den Feiertagen einen kleinen „Ad-hoc-Chor” für Gottesdienste im Altersheim zusammengestellt hat, entsteht der Wunsch, im Rahmen des Vereins einen Kinderchor zu gründen. Neben der Pflege des Volkslieds sollen auch die Stimmbildung und die Heranbildung von Nachwuchs für den großen Chor als Ziel ins Auge gefaßt werden.

Zur ersten Probe am 4. April 1978 strömen gleich über 50 Kinder herbei. Beim Kreissingen im Mai 1978 tritt der Kinderchor in Bad Wiessee zum ersten Mal auf, danach bei der 60-Jahr-Feier der Stadt Miesbach, darauf bei einem Konzert mit dem großen Chor und der Stadtkapelle. Beim Wettsingen „Bayerns Jugend singt” 1979 erringt er auf Kreisebene den ersten Preis. Weitere Erfolge stellen sich in der Zukunft ein. 1986 übergibt Noske den Kinderchor aus „Altersgründen” in jüngere Hände. Die Musikpädagogin Barbara Huber übernimmt die quirlige Kinderschar für 5 Jahre und macht aus ihnen die „Miesbacher Chorspatzen”, die sie vor allem auch durch szenische Darstellungen stark motiviert.

Am 18. Oktober 1980 begeht der Verein in der Oberlandhalle sein 135-jähriges Jubiläum. Neben den eigenen Kräften des Kinderchores und des „großen” Chores wirken eine Bläsergruppe der Gmunder Bläserbuam, der Gesangverein Oberdarching, die Singvereinigung „Wolkensteiner” aus Innsbruck, der Chor der Polizei München und die Ballettschule Knippschild-Mähr mit.

Am 12. Oktober 1985 feiert man das 140-jährige Jubiläum in der Oberlandhalle. Seit Mitte Januar 1985 ist Elisabeth Büchler die neue Vorsitzende des Vereins. Bis zum Ende des Jahres sind 29 neue Sänger zum Verein gestoßen, so daß das Jubiläum mit Begeisterung vorbereitet wird. Rund 130 Mitwirkende und 750 Zuhörer mit viel Prominenz an der Spitze feiern das Wiegenfest. Drei Stunden lang wechseln Festansprachen mit den Darbietungen der verschiedensten Chöre. „Das Festkonzert machte eindrucksvoll deutlich, daß es eine Renaissance der selber gespielten und gesungenen Musik und eine Rückbesinnung auch auf das alte Liedgut verschiedener Epochen gibt” heißt es im „Miesbacher Anzeiger” am 14. Oktober 1985. Für die internationale Komponente an diesem Abend sorgt der „Coro Trentino Lagolo” aus Italien.

Einen schmerzlichen Einschnitt bringt die Trennung von mehreren Sängerinnen und Sängern mit Rudolf Sommer an der Spitze, die 1988 aus dem Chor- und Orchesterverein austreten und die „Singvereinigung Miesbach” im Oktober 1988 gründen. Der neue Dirigent Karl Stärz führt den Chor sehr schnell aus der Krise und mit viel Engagement und jugendlichem Elan verlagert er den Schwerpunkt in der Auswahl des Liedgutes und zieht besonders auch wieder junge Menschen an.

„Mit einem erlesenen Festprogramm aus der Welt des Gesanges und der Musik” (so Miesbacher Anzeiger) gestaltet er am 13. Oktober 1990 in der Oberlandhalle ein beachtliches Festkonzert zum 145. Jubiläum. Ausführende sind der „Coro Valsella Levico”, der Männerchor Dampfkraftwerk Voitsberg/Steiermark, die Chorspatzen und der Chor des Chor- und Orchestervereins sowie der evangelische Posaunenchor, das Salon-Trio Rauscher aus München und die Rohnberg-Dirndln aus Parsberg.

Die neue Ära wird weitergeführt von dem Franzosen Christophe Yunes, der seit Januar 1992 den Chor dirigiert und in vielen Konzerten zu neuen Erfolgen führt. Sein besonderes Verdienst ist die Neugründung eines Orchesters im Juni 1992.

30 Jahre gab es nämlich kein eigenes Orchester mehr im Verein. Es tritt u. a. bereits beim Festakt der Stadt Miesbach anläßlich der 75-Jahrfeier am 6. Mai 1993 unter Leitung des Dirigenten Christophe Yunes mit der Sinfonie A-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart im Bräuwirt-Saal auf.

Beim großen „Historischen Festzug” aus Anlaß der 75-Jahrfeier der Stadterhebung am 20. Juni 1993 stellt der Chor- und Orchesterverein Miesbach die Szene „Die Wallenburger Verlobung” mit einer Vielzahl von Personen dar. In prächtigen und farbenfrohen Kostümen aus der Zeit des Barocks gehen die Vereinsmitglieder im Festzug mit. Zum Abschluss des Jubiläumsjahres der Stadt gibt der Chor- und Orchesterverein am 6. November 1993 ein Festliches Konzert zu Ehren Konrad Schweinsteigers, der im September 1993 verstorben ist.

Im Juni 1994 übernimmt Michael Clemens Frey aus München die Leitung von Chor und Orchester. Als Liebhaber der Barockmusik geht er mit dem Orchester Schritte in eine neue Richtung. Im Sinne einer originalgetreuen Werkswiedergabe sucht er nur Literatur, die die eigene Besetzung des Orchesters bewältigen kann.

Beim Herbstkonzert am 12. November 1994 finden die Leistung von Chor und Orchester viel Beachtung.

1995 feiert man das 150-jährige Vereinsjubiläum. Mit einem Festgottesdienst am Sonntag, 25. Juni 1995, in der Stadtpfarrkirche wird eine würdevoller Beitrag geleistet.

Ein Festkonzert am 11. November schließt den Reigen der festlichen Höhepunkte im Jubiläumsjahr 1995.

Die langjährige Vorsitzende Elisabeth Büchler hat zusammen mit einer Schar engagierter Frauen und Männer das 150. Jubiläum vorbereitet. Sie sorgt seit Jahren dafür, daß der Verein nicht nur zu Gründungsjubiläen an die Öffentlichkeit tritt, sondern durch verschiedene Konzerte und gesellschaftliche Veranstaltungen wie den „Schwarz-Weiß-Ball” im Fasching oder die Teilnahme am „Bürgerfest der Stadt Miesbach” Ende August 1993 auch gesellschaftlich in Erscheinung tritt.

Im Jahre 1978 wurde unter der Leitung von Eckhard Noske ein Kinderchor gegründet, der unter mehreren verschiedenen Dirigenten/innen (u. a. Andrea Herbst) bis zum Jahre 2000  fortgeführt wurde.

Elisabeth Büchler übernahm im Jahre 1985 den 1. Vorsitz im Chor- und Orchesterverein, sowie 1988 den 2. Vorsitz im Sängerkreis Oberland.

Bei Dreharbeiten zu „Ein Bayer auf Rügen“ wirkten verschiedene Chormitglieder im Jahre 1995 am Drehort Schliersee mit.

Die Festlichkeiten zur 150-Jahr-Feier des Chor- und Orchestervereins im Jahre 1995 begannen mit einer Jubiläumsmesse. Der Chor sang eine Orgelsolomesse von Mozart in der Miesbacher Stadtpfarrkirche. Als Gratulanten erschienen Prof. Hauser  vom bayerischen Sängerbund und Landrat Norbert Kerkel. Der Chor sang bei diesem Jubiläumskonzert „Die Vogelhochzeit“.

Ab dem Jahre 1996 begannen Chor und Orchester mit  den Proben für die Wallenburger Verlobung. Zur Eröffnung des Waitzinger Kellers wurden 5 ausverkaufte Vorstellungen  im Jahre 1997 gegeben.

Ein gemeinsamer Liederabend mit Herrmann Prey und ein gemeinsames Konzert  mit einem japanischen Frauenchor aus Minoh/Osaka  wurden im Jahr 1998 im Waitzinger Keller veranstaltet.

Mit dem Manzer Quartett aus Karlsbad konnte im Jahre 1999  unter der Leitung von Matthias Richter ein  gemeinsames Konzert veranstaltet werden.

In den Jahren von 2000 bis 2011 hatten im Chor verschiedene Dirigenten/innen das Dirigat inne. (Matthias Richter, Alexander Maschat (der damalige Kreischorleiter). Das Orchester leitete zuerst Hans Peljak und danach Sventa Danneberg.

Im Jahr 2009 übernahm Hildegard Mayer als 1. Vorsitzende den Chor- und Orchesterverein. Von jetzt an wurden zur Vorbereitung auf das Herbstkonzert Probenwochenenden abgehalten und der Volkstrauertag gemeinsam mit der Singvereinigung Miesbach gestaltet.

Friedrich Stimmer, der schon mehrmals bei Konzerten mit dem Chor- und Orchesterverein aufgetreten war, übernahm ab 2011 den Dirigentenstab im Chor und gab diesen im Dezember 2013 an Matthias Richter weiter, der bereits Ende der 1990er Jahre bis 2001 den Chor leitete. Er trennte sich vom Verein im September 2014. 

Teil 1 (1845-1995) von Dr. Gerhard Maier

Teil 2 (1996-2013) von Hildegard Mayer